Kolumne – Meine Verschwörungstheorie zur Verschwörungsideologie (Ox-Fanzine #153, Dezember 2020/Januar 2021)

Meine Verschwörungstheorie zur Verschwörungsideologie

Heutzutage heißt es gerne, Satiriker seien die besseren Politiker und umgekehrt. Da fällt den Menschen das Vertrauen deutlich schwerer. Geglaubt wird nur das, was man selbst im Netz findet. Ein allumfassender Pessimismus weht durch unsere Luxuswelt: alles scheiße, Korruption, Krieg, Klimawandel, schlechte Nachrichten en masse und immer wieder „die da oben“. 

Verschwörungen feiern dank Corona ihre Hochzeit. So glauben selbst hierzulande manche, der Trump sei der einzige Heilsbringer gegen eine Satanistenschickeria, die sich schelmisch lachend den nächsten Adenochromrausch ins Rückgrat ballert. Da will ich nicht außen vor bleiben und bastele mir meine eigene Theorie: Verschwörungsmythen funktionieren noch besser aufgrund unserer Obsession mit Popkultur! Klingt weit hergeholt, ich weiß.

Aber man kennt das. Wenn wieder irgendwas mit Datenschutz und (vermeintlicher) Zensur aufkommt, dann heißt es „1984“ und „Neusprech“. In den letzten Jahren dann noch Filme wie u.a. „The Purge“, „Matrix“, „V wie Vendetta“ oder irgendein x-beliebiger Politthriller. Ähnliche Motive finden sich überall: nichts ist, wie es scheint und es sind stets böse Eliten, die im Hinterzimmer die Fäden ziehen. Und die Zuschauer fragen sich vermehrt, was noch real ist.

Auch in der Musik ist das so: All die superpolitischen Bands bringen ihre Agenda gerne in plumper, verkürzter und populistischer Textform herüber. Einfache Erklärungen beeinflussen einfache Denkmuster. Daher sehen Kommentarspalten mittlerweile aus wie ein Grundschuldeutschheft aus den 90ern. Ich versteh´s kaum noch, ich war nie gut in Emojikunde.

Aber wenn wir unsere Wahrheiten zu oft der Popkultur entnehmen, beschwören wir unsere eigene „Purge“ herbei. Nicht, weil es von oben aufgezwungen wird, sondern weil wir überall eine Verschwörung wittern. Das erklärt vielleicht auch das, was Ende August in Berlin los war. Wüsste Hunter S. Thompson das, er würde sich im Grab umdrehen.

Vor Lachen. Er bleibt der größte Troll unserer Zeit.

Arndt Aldenhoven


„Fear and Loathing in Las Vegas (10/10) Movie CLIP – Too Much Adrenochrome (1998) HD“


veröffentlicht in Ox-Fanzine / Ausgabe #153 (Dezember 2020/Januar 2021)

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